Bundespräsident Steinmeier: Wolfgang Huber baut Brücken zwischen Menschen

Wolfgang Huber gelingt es, Brücken zwischen Menschen zu bauen. Er macht Wege für Dialog gangbar und schafft Verbindendes, schreibt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Vorwort zur zweite Auflage der Biografie „Wolfgang Huber: Ein Leben für Protestantismus und Politik“.

 

Vorwort des Bundespräsidenten

Kann ein Leben dichter, spannender, facettenreicher sein als das von Wolfgang Huber? Seine Wege haben sich mit den meinen in den letzten gut zwei Jahrzehnten immer wieder gekreuzt – trotz unserer unterschiedlichen Aufgaben und Verantwortungen. Getroffen haben wir uns nicht nur immer wieder zu intensivem Dialog zwischen Kirche und Politik, sondern auch bei Evangelischen Kirchentagen und am Brandenburger Dom, an dessen 850-jährigem Jubiläum wir gemeinsam als Kuratoren mitwirken durften. Und dazwischen liegen natürlich unzählige weitere Begegnungen und viele private Treffen.

Bei all diesen Begegnungen habe ich Wolfgang Huber als jemanden kennengelernt, dem es gelingt, Brücken zwischen Menschen zu bauen, der Wege für Dialog gangbar macht, der Verbindendes schafft. Wolfgang Huber hat die wunderbare Fähigkeit, seine unterschiedlichen Berufe und Berufungen miteinander zu verweben und sie für andere nutzbar zu machen.

cover biografieAls wissenschaftlicher Theologe hat er sich größten Respekt erworben, zum Beispiel durch seine Arbeiten über die Rolle der Kirche in der Öffentlichkeit, die auch mich stark geprägt haben. Als Professor der Theologie hat er sein Forschen und Lehren zudem immer auch als Dienst an der und für die Kirche begriffen, als kritisches und gleichzeitig konstruktives Gegenüber. Wolfgang Huber hat stets dafür geworben, dass die Brücken zwischen der Theologie und der kritischen Wissenschaft begehbar bleiben. Statt Glauben und Naturwissenschaft gegeneinander zu stellen, statt die Wahrheit des Glaubens ängstlich gegen die Moderne zu verteidigen, steht Wolfgang Huber für die Überzeugung, dass Glaube freier, ergebnisoffener Forschung nicht im Wege ist. Als Bischof der Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und dann als EKD-Ratsvorsitzender hat er mit großem Engagement dafür gesorgt, dass die Kirchen sich nicht in den Raum privater Frömmigkeit abdrängen lassen. Sein Augenmerk lag vielmehr auf ihrem öffentlichen Auftrag – weil er weiß, dass die Kirchen für den inneren Zusammenhalt unserer Gesellschaft notwendig sind. Aus diesem Grund setzt er sich so leidenschaftlich für den Religionsunterricht ein. Und aus diesem Grund liegt ihm die öffentliche Sichtbarkeit der Kirchen so sehr am Herzen.

Wolfgang Huber ist ein streitbarer, aber kluger Verfechter der Ökumene, indem er die Gemeinsamkeiten herausarbeitet, jedoch ohne denjenigen Themen auszuweichen, in denen die Kirchen unterschiedliche Wege gehen. Gerade indem er die verschiedenen Standorte respektiert, ermöglicht er das Gespräch und eröffnet so einen neuen Dialograum für einen konstruktiven ökumenischen Austausch. Ihm gelingt es nicht nur, den noch wackeligen Steg zwischen christlichen Glaubensgemeinschaften zu festigen. Er erreicht auch viele Menschen auf ganz direktem Weg. Welch ein wortmächtiger Prediger er ist, weiß jeder, der ihn einmal hat hören dürfen, sei es in der Berliner Gedächtniskirche zum siebzigsten Jubiläum der Barmer Theologischen Erklärung, sei es bei seiner Andacht nach den Anschlägen am 11. September im Berliner Dom. Seine Predigten sind Zeitansage und zwingende Analyse, aber sie spenden auch Trost und heilen Zerbrochenes. So ist Wolfgang Huber auch Seelsorger, der tröstet, der stärkt und der Hoffnung und Mut macht. Ein Pastor, der nicht nur eine kraftvolle Sprache findet, sondern der auch die leisen Töne hört und versteht. Der Mensch, der nahe bei den Menschen ist, sie ermutigt und stärkt. Ich habe die Kraft, die von seinen Worten, seinem Zuspruch ausgeht, auch ganz persönlich erfahren dürfen.

Wolfgang Hubers Wirken ist klar verankert in der lutherischen Reformation. Martin Luthers Theologie stellt jeden Christen, wie Bischof Hermann Kunst es formulierte, in die Verantwortung für die Welt hinein. Luthers Aufforderung, sich einzumischen und die persönliche Verantwortung vor Gott und vor der Welt ernst zu nehmen, das war und ist das zentrale Leitmotiv in Wolfgang Hubers öffentlichem Wirken.

Er hat sich stets eingemischt – eloquent, klug und pointiert. In der heutigen Zeit steht Wolfgang Huber für vieles, was wir uns für unsere Gesellschaft so dringend wünschen: Er ist ein Pfadfinder, der neugierig auf die Menschen zugeht. Er ist intellektueller Denker und dabei ein leidenschaftlicher Streiter mit umfassender klassischer Bildung – weit über sein eigenes wissenschaftliches Feld hinaus – und besitzt dennoch Bodenhaftung. Er ist zugewandt und hat den offenen Blick für die Menschen. Heute sehnt sich die Gesellschaft nach Menschen, die neue Orientierung geben können; Wolfgang Huber ist so ein Mensch. Ein Mensch, der durch seine Analysen, seine Zivilcourage und seine Selbstdisziplin Vorbild ist und die Menschen anleitet, kritisch zu sein und sich ihre eigene Meinung zu bilden. Was sein ungeheures Arbeits-, Schreib- und Reisepensum betrifft, habe ich bei Wolfgang Huber immer den Eindruck, dass seine Neugier und die Lust an der Begegnung mit Menschen ihn beflügeln und ihm neue Energie verleihen. Für ihn gibt es keine langweiligen Themen, vielmehr wird durch sein Nachfragen, seine Impulse jedes Thema spannend. Er findet stets eine neue Facette, einen neuen Mosaikstein, der das ganze Feld in neuem Licht erscheinen lässt.

Deshalb ahne ich, dass er auch weiterhin nicht ruhen wird! Ja, ich baue darauf, dass er sich weiter einbringt – gerade jetzt, in Zeiten, in denen der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland, aber auch in Europa, wichtiger ist denn je.

Wolfgang Huber ist für mich Ratgeber, Mahner und Wegweiser. Und: Er ist ein Freund. Für diese Freundschaft bin ich sehr dankbar.

März 2017

Frank-Walter Steinmeier