Diskussion zur deutsch-armenischen Beziehung

Die tragbare Heimat - das armenische Kapitel der Ausstellung „Hello World“ im Museum Hamburger Bahnhof bot den Anlass, mit Gästen aus Politik, Kultur und Gesellschaft die deutsch-armenischen Beziehungen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Gemeinsam mit der armenischen IDeA Foundation lud die Global Perspectives Initiative am 04. Juli 2018 zu einer Diskussion mit Cem Özdemir und Wolfgang Huber ein, eine abendliche Kuratorenführung durch die Ausstellung schloss den Abend ab.

Die Stifterin der IDeA Foundation, Veronika Zonabend, eröffnete den Abend und illustriert ihre Beweggründe, das Familienvermögen einzusetzen, um Armenien kontinuierlich wirtschaftlich und sozial zu entwickeln um damit Missständen in Armenien und der Welt aktiv entgegenzuwirken. Rafi Beghdjian, CEO der IDeA Stiftung, stellte die Visionen der Stiftung und ihre Aktivitäten im Bereich der Kultur- und Identitätsförderung Armeniens vor. Mittels einer interaktiven Landkarte präsentierte er Projekte, die von der IDeA Stiftung unterstützt werden. Die Stiftung selbst identifiziert fünf Sektoren, deren Förderung für die Prosperität Armeniens bedeutend seien: Tourismus, Finanzinfrastruktur, Technologie & Energie, Agrarökologie & Nachhaltigkeit sowie Bergbau. IDeA investiert konsequent in fünf sogenannte Enabler (oder ‚Möglichmacher’): Bildung, Gesundheitsinfrastruktur, Stadtentwicklung, Erhaltung des Kulturguts, Identitätsfragen und die Positionierung Armeniens in internationalen Angelegenheiten.

Anschließend diskutierten Cem Özdemir, Mitglied des Bundestags und ehemaliger Parteivorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, und Prof. Dr. Wolfgang Huber, ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche Deutschland, unter der Moderation von Ali Aslan, die nicht immer einfache Beziehung zwischen Armenien und Deutschland. Im Vordergrund standen neben der gegenwärtigen Beziehungen zwischen Deutschland und Armenien , auch der Genozid und insbesondere seine Aufarbeitung, 100 Jahre nachdem er im frühen 20. Jahrhundert 1,5 Millionen Armeniern ihr Leben kostete. Hier habe nicht nur die Türkei sondern auch Deutschland noch vieles aufzuarbeiten und die Anerkennung des Völkermords an den Armeniern sei lediglich der Anfang dieser Aufarbeitung.

In diesem Zusammenhang unterstrich Özdemir die Bedeutung der Rechenschaftslegung in Deutschland und stellte gleichzeitig fest, dass er die noch immer ausstehende Entschuldigung Deutschlands für den 1904 exekutierten Völkermord an den Herero im heutigen Namibia vermisse.

“Deutschland kann ein Land sein das zeigt, dass die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Schwäche zu mehr Stärke führt“ so Özdemir. Wer 2018 die deutsch-türkische Beziehung zur Diskussion stelle, der müsse auch über Flucht und Migration sprechen. Denn die Türkei sei kein einfaches Transitland von Menschen auf Flucht, sie beheimate mehr Flüchtlinge als Deutschland. Das gerät leicht in Vergessenheit.

Beide Diskutanten sahen weniger die Obergrenze Seehofers als Problem - der Zuzug von Flüchtlingen in Deutschland liegt längst unterhalb der Obergrenze – sondern die Integrationsherausforderungen. Auch die Instrumentalisierung der Flüchtlingskrise und religiöser Symbole zum Zweck des politischen Kalküls müsse gestoppt werden, so Huber. Die Hausaufgabe der Regierung sei, endlich ein Einwanderungsgesetz zu verabschieden, das klar zwischen unterschiedlichen Migrantengruppen unterscheidet; denn nur so könne ein humanitärer Korridor auch in Zukunft gesichert werden. Zur deutsch-armenischen Beziehung gehöre auch die deutsche Beziehung zur Türkei. Es reiche nicht, von einer Grenzöffnung zwischen Armenien und der Türkei zu träumen. In Beziehungen müsse investiert werden. Und zwar nicht ausschließlich mit Geld, sondern vor allem durch Taten. Realitätssinn und eine starke humanitäre Ausrichtung müssten verbunden werden, um in Deutschland, Armenien und der Türkei die notwendigen bildungs-, innen-, und außenpolitischen Maßnahmen voranzutreiben.

Impressionen von der Veranstaltung finden Sie hier