Kardinal Lehmann: Wertschätzung auch bei schwierigen Streitpunkten

Menschliche Nähe und theologische Klarheit kamen bei Karl Kardinal Lehmann (1936-2018) zusammen, schreibt Wolfgang Huber in der „Zeit“.

Lehmanns Kirche: Was von dem liberalen Kardinal bleibt
Wolfgang Huber: Seine Streitbarkeit

Anfang des Jahrhunderts erlebten wir ökumenisch eine Zeit steifer Brisen. Die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" von 1999 hatte nicht den erhofften Rückenwind gebracht. Papst Benedikt XVI. legte Wert darauf, nur die katholische Kirche sei "Kirche im eigentlichen Sinn". Der Streit um das Verständnis des kirchlichen Amtes wurde schärfer; unvereinbare Auffassungen im Blick auf die Übersetzung der Bibel belasteten das Miteinander.

Als ich daraufhin von einer "Ökumene der Profile" sprach, wurde mir das von manchen schwer verübelt. Das waren schmerzhafte Erfahrungen. Doch nicht mit Karl Lehmann. Er war damals Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, ich war als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche sein Gegenüber. Ihm gelang immer beides zugleich: die vatikanische Haltung zu erklären und zu relativieren. Auch bei schwierigen Streitpunkten ließ er es an Wertschätzung für den ökumenischen Partner nie fehlen. In persönlichen Gesprächen gab er mir Einblick in die innere Pluralität des Katholizismus, auch auf der Ebene der Amtskirche. Zugleich zeigte er mehr Verständnis für die innere Lage des Protestantismus, als ich es bei manchen in der eigenen Kirche erlebte. Menschliche Nähe und theologische Klarheit kamen zusammen. So entstand ökumenische Freundschaft. Das gehört zu den beglückenden Erfahrungen meines Lebens.

("Die Zeit" vom 15. März 2018)