Kirchen zu zurückhaltend mit Kritik an türkischer Religionspolitik

Üben die Deutschen politisch und kirchlich genug Kritik an der Lage religiöser Minderheiten in der Türkei?

"Eher nicht. Da haben wir eine Negativbilanz", sagte Wolfgang Huber im Interview mit der ZEIT (16. Juli 2020). "Für die Zurückhaltung politischer Akteure habe ich bis zu einem gewissen Grad Verständnis. Doch die Kirchen machen sich diese Zurückhaltung zu oft zu eigen. Sie haben manchmal zu viel Angst, es der Politik schwer zu machen."

Er selbst habe immer klar Kritik geübt, wo er das für nötig gehalten habe, sagte der ehemalige Ratsvorsitzende der EKD. "Ich habe dabei nicht nur politischen Gegenwind bekommen, sondern zugleich die Erfahrung gemacht, dass tiefer liegende Differenzen mit den Islamverbänden nicht zu besprechen waren."

Auch die deutsche Mehrheitsgesellschaft tue sich schwer damit: "Sie versteht nicht, dass ebenso wie die Sprache der säkularen Vernunft auch ein vernünftiges Sprechen über den Glauben in der Öffentlichkeit Raum haben muss. Wenn das nicht möglich ist, bleiben wichtige Streitpunkte unausgesprochen", sagte der Theologe.

Traum vom friedlichen Zusammenleben der Religionen ist ausgeträumt

Wolfgang Huber kritisierte die Ankündigung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, die einstige christliche Kathedrale Hagia Sophia in Istanbul von einem Museum in eine Moschee umzuwidmen und dort selbst zu predigen: "Was Erdoğan tut, ist ein endgültiger Bruch mit der Rücksichtnahme auf die Jahrtausende alte christliche Tradition in der Region, für die er verantwortlich ist." Seine Entscheidung signalisiere: "Der Traum von einem friedlichen Zusammenleben der Religionen in der Türkei ist ausgeträumt."

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Reaktionen:

Domradio / Katholische Nachrichtenagentur: Huber kritisert Umwandlung der Hagia Sophia – Warum reagiert die Kirche so still?

Kath.net / Katholische Nachrichtenagentur: Doch die Kirchen machen sich diese Zurückhaltung zu oft zu eigen

Evangelisch.de / Evangelischer Pressedienst: Wolfgang Huber kritisiert Umwandlung der Hagia Sophia in Moschee