Kirche ist nicht nicht systemrelevant, sondern existenzrelevant

Wolfgang Huber ist darüber verblüfft, dass man in der kirchlichen Debatte auf das Stichwort „Systemrelevanz“ hereinfällt.

"Bevor man diesen Ausdruck übernimmt, sollte man seine Bedeutung klären", sagte Wolfgang Huber im Interview mit der evangelischen Wochenzeitung Die Kirche (15. Juni 2020).

"Während der Finanzmarktkrise 2007 fragte man nach Banken, die für das Finanzsystem so wichtig sind, dass sie nicht insolvent gehen dürfen. In der Coronakrise 2020 fragt man nach den kritischen Teilen der Infrastruktur, die funktionieren müssen." Der ursprüngliche englische Ausdruck dafür heiße "systemically important", zu Deutsch: systemisch wichtig. "Das ist etwas ganz anderes als systemrelevant. Systemrelevant sind alle Teile eines Systems. Systemisch wichtig sind diejenigen Teile, ohne die das System kollabiert – wie beispielsweise Energie, Ernährung, Gesundheitswesen", sagte der Theologe.

Er fügte hinzu: "Und da kommen wir als Kirche hinterhergelaufen und fragen: Sind wir systemrelevant? Gehören wir zu den Teilen, ohne die die materielle Struktur der Gesellschaft kollabiert? Natürlich gehört unsere Diakonie dazu. Aber die Verkündigung des Evangeliums und die Seelsorge sind keine kritische Infrastruktur. Bei ihnen geht es um die Freiheit für Religion und Glauben. Die Kirche, das Evangelium sind nicht systemrelevant, sondern existenzrelevant. Das haben wir deutlich zu machen."

Doppelinterview mit Christian Stäblein, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.

Das Interview als PDF

Meldung des Evangelischen Pressedienstes (epd) auf Evangelisch.de: Kirche ist nicht systemrelevant, sondern existenzrelevant

Meldung der evangelischen Nachrichtenagentur idea: Corona – Viele Menschen erwarteten eine vernehmbare Kirche