Pazifismus heißt "Frieden schaffen"

Die internationale Staatengemeinschaft muss von Terror und Gewalt bedrohte Menschengruppen schützen.

Eine entsprechendes Konzept unter dem Titel "Responsibility to Protect" hätten die Staatschefs bereits im Jahr 2005 beschlossen, sagte Wolfgang Huber am 27. August 2014 in einer Diskussionsrunde des Fernsehsenders Phoenix. Doch in der Folge der Anschläge vom 11. September 2001 sei das Konzept "in die Schubladen" geraten.

"Ich sehe ein ganz großes Problem darin, dass wir im letzten Jahrzehnt eine Konzentration der internationalen Diskussion (…) auf den Krieg gegen den Terror hatten", sagte der Theologe. "Seit 2001 hatten wir eine internationale Bemühung darum, die 'responsibility to protect', zu deutsch die Schutzverantwortung für bedrohte Menschengruppen, auf die internationale Agenda zu schreiben." In diesem Jahr lag den Vereinten Nationen der entsprechende Bericht vor, doch dann kam der 11. September.

Die Schutzinstrumente fehlen

Weiter sagte der Sozialethiker: "Jetzt haben wir die paradoxe Situation, dass wir einen Terror haben, der genau diese Schutzverantwortung zum Thema macht, und die Staatengemeinschaft hat die Instrumente nicht wirklich entwickelt. Wir diskutieren über deutsche Waffenlieferungen, anstatt über diese internationale Schutzverantwortung zu diskutieren und uns die Frage zu stellen, was Deutschland dazu beitragen kann." Eine solche Debatte wünsche er sich, fügte Huber hinzu.

Derjenige, der für sich selbst pazifistische Haltungen einnimmt, müsse sich davor hüten, dies auch anderen zu oktroyieren: "Pazifismus heißt nämlich, für sich selbst bereit sein, Leiden auf sich zu nehmen, weil man sich nicht mit Gewalt wehren will. Das kann man aber nicht anderen oktroyieren."

Wolfgang Huber erinnerte daran, dass Pazifismus (pacem facere) auf Deutsch "Frieden schaffen" heißt. Der Begriff stamme aus der Seligpreisung der Friedensstifter in der Bergpredigt Jesu Christi.

Nicht Wegschauen wie in Ruanda

"Wenn man sich auf den Pazifismus, also auf die Aufgabe, Frieden zu schaffen, beruft, heißt die Frage: Wie können wir das tun angesichts einer Situation, die viele Züge des Völkermordes schon jetzt trägt, einer systematischen Entrechtung, Verfolgung, Demütigung einer ganzen Bevölkerungsgruppe? Und die einzige Antwort, die man nicht geben kann, ist die Antwort, untätig zuzuschauen", wie das 1994 beim Völkermord in Ruanda geschehen sei.

Es müsse geradezu Streit darüber geben, welcher Weg der richtige ist, "denn Waffenlieferungen sind eine sehr ernste und gefährliche Handlungsweise". Doch jeder, der das kritisiere, müsse sich fragen: "Was schlage ich denn selber vor?" Allein schweren Bedenken vorzutragen reiche nicht aus.

Huber weiter: "Wenn es etwas zu kritisieren gibt an der Diskussion der letzten sechs Monate in Deutschland, dann ist es auch darin zu sehen, dass wir im Blick auf internationale Krisen nur die Frage der militärischen Gewalt diskutierten, anstatt das in ein breiteres Handlungs- und Hilfskonzept einzubauen."

Zum Mitschnitt der Phoenix-Runde geht es hier